Nicht einmal ein ganzer Ozean kann uns trennen, denn Lateinamerika und Europa sind natürliche Partner. Wir haben viele Gemeinsamkeiten: Wir leben in Demokratien, teilen kulturelle Gemeinsamkeiten und bekennen uns zu einem internationalen System, das auf Regeln und Menschenrechten basiert. Das gilt für Kolumbien und Panama ebenso wie für Brasilien – unseren strategischen Partner und die bevorstehende G20-Präsidentschaft. Die neue Regierung unter Präsident Lula möchte der starken Stimme Brasiliens bei der Lösung der drängendsten globalen Herausforderungen Gehör verschaffen. In diesem Zusammenhang eint uns die feste Überzeugung, dass Wohlstand nur mit Frieden und Freiheit möglich ist – auch wenn wir, wie zuletzt im Hinblick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, manchmal unterschiedliche Positionen vertreten.
Selten zuvor waren unsere wirtschaftlichen und ökologischen Interessen so eng miteinander verknüpft. Denn ohne Lateinamerika werden wir die Klimakrise nicht eindämmen können. Jede Minute brennt eine Fläche des Amazonas-Regenwaldes in der Größe von drei Fußballfeldern oder fällt Kettensägen zum Opfer. Es hat Konsequenzen für uns alle. Wenn die Bäume weiter fallen, wird das gesamte Ökosystem zusammenbrechen. Deshalb teilen wir die Ambitionen der brasilianischen Regierung, den Menschen, die in der Nähe des Regenwaldes leben, eine wirtschaftliche Perspektive zu geben – nicht gegen den Wald, sondern mit ihm. Das grüne Potenzial ist hier riesig: Brasilien erzeugt bereits fast 90 Prozent seines Stroms aus erneuerbaren Energien und grüner Wasserstoff hat in weiten Teilen des Kontinents eine große Zukunft.
Die Meeresriesen, die durch die enge Passage des Panamakanals drängen, erinnern uns daran, was Lateinamerika immer noch ist: ein potenzieller Gigant der Weltwirtschaft. Sichere Lieferketten, grüne Energien, verringerte Abhängigkeit von Rohstoffen – seit Beginn des russischen Angriffskrieges organisieren wir unsere globalen Verbindungen rasant neu. Wir wollen ein dichtes und nachhaltiges Netzwerk, auch über den Atlantik hinweg. Das Freihandelsabkommen mit den MERCOSUR-Staaten wird hier einen großen Schritt nach vorne bedeuten. Wenn wir ihn nachhaltig gestalten und für einen wirksamen Schutz des Regenwaldes sorgen, wird er die Anreize und Regeln schaffen, die unsere Regionen brauchen, um Vorreiter im grünen, sozial gerechten Wandel zu werden.
Lateinamerika hat längst Einzug in unseren Arbeitsmarkt gehalten. Brasilianische Pflegekräfte und kolumbianische Elektriker werden in Deutschland bereits mit offenen Armen empfangen. Diese Partnerschaft wollen wir weiterentwickeln. Als Bundesregierung haben wir uns zu einer umfassenden Neuausrichtung unserer Einwanderungspolitik verpflichtet, denn unsere Wirtschaft braucht dringend mehr Fachkräfte. Dies ist eines der Themen, nach denen ich in Brasilien gemeinsam mit meinem Kabinettskollegen, dem Arbeitsminister, suchen werde. Hubertus Heil.
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