Kurz neben dem Testzentrum und dann zur Weihnachtsfeier der Großeltern – das wollen wahrscheinlich viele. Tatsächlich gibt es solche Zentren bereits in einigen Städten in Deutschland. Aber ist es wirklich so einfach? Und wie informativ sind die dort angebotenen Schnelltests?
Großes Versprechen des Herstellers
Erkennt mehr als 96% aller Coronavirus-Infektionen – das verspricht das Pharmaunternehmen Roche auf seiner Homepage für den Antigen-Schnelltest. Und die Zahlen, die Roche veröffentlicht, sind gut, in der Tat sehr gut. So gut, dass der Test fast mit den PCR-Tests konkurrieren konnte.
Schnelltests sind nicht zuverlässig
EIN Studie des Robert Koch Instituts malt jedoch ein anderes Bild. Im Alltag wurden in der Notaufnahme des Katharinen-Krankenhauses der Stuttgarter Klinik fast 470 Patienten mit dem Roche-Schnelltest sowie mit einem PCR-Test getestet. Das Ergebnis: Nur etwas mehr als sieben von zehn PCR-Positiven wurden auch durch den Antigen-Test erkannt. Bei asymptomatischen Patienten lag die Zahl sogar unter vier von zehn.
Auf Nachfrage wies Roche darauf hin, dass die RKI-Studie auch zeigte, dass der Test fast alle Infektionen erkennt, wenn die Viruslast hoch ist. Das ist richtig, aber die Ergebnisse aus Stuttgart sind nicht mit ihren eigenen vergleichbar, da die tägliche klinische Praxis keine wissenschaftliche Studie ist.
Video zur Analyse der Testergebnisse
Auf der Roche-Homepage befindet sich ein wunderschön animiertes Video, das die Testergebnisse interpretieren soll. Der Test erkennt nur zuverlässig eine Infektion, die höher als eine bestimmte Konzentration des Virus ist, und genau darum geht es wahrscheinlich bei der Empfindlichkeit von 96%. Und nach dem Video zu urteilen, ist diese Erkennungsgrenze kein Fehler, sondern ein positives Merkmal des Tests. Schließlich ist die infizierte Person nur dann ansteckend, wenn die Viruslast hoch ist.
Es gibt keine wissenschaftlichen Beweise
Aus rein wissenschaftlicher Sicht muss man jedoch sagen, dass die von Roche vorgelegten Zahlen zumindest irreführend, wenn nicht sogar völlig falsch sind. Rechtlich gesehen sind Sie wahrscheinlich auf der sicheren Seite, da das Anweisungsblatt die Anweisung aus dem erklärenden Video wiederholt: Der Test funktioniert nur, wenn die Viruskonzentration über der Nachweisgrenze liegt – ein Hinweis, der in vielen, wahrscheinlich allen Antigen-Testanweisungen zu finden ist – aber oder kann eine Konzentration unterhalb dieser Nachweisgrenze immer noch eine Infektion oder, was noch wichtiger ist, eine Infektiosität bedeuten? Das Patienteninformationsblatt beantwortet die Frage nicht und das animierte Video impliziert: wahrscheinlich nicht.
Und genau hier liegt das Wesentliche dieser Tests. Denn im Zweifelsfall kümmert sich das Virus nicht um eine „wahrscheinliche“. Die Hersteller wählen die Rosinen aus Studien aus und liefern Ergebnisse, ohne sie richtig zu klassifizieren. Als Endbenutzer mit einem negativen Testergebnis wiege ich mich in der wahrgenommenen Sicherheit ab und ja, das kann bedeuten, dass ich nicht infiziert oder ansteckend bin. Es kann aber auch bedeuten, dass ich infiziert, aber noch nicht ansteckend bin. Oder dass ich trotz geringer Viruslast infiziert und ansteckend bin. Oder dass ich infiziert und ansteckend war und dass der Test einfach falsch war.
Schnelltests, die für bestimmte Personengruppen nützlich sind
Das heißt aber nicht, dass diese Tests völlig nutzlos sind. Der bewusste Einsatz als Teil einer durchdachten Teststrategie kann hilfreich sein – wenn Sie wissen, wie Sie damit umgehen sollen. Wenn ich eine bestimmte Gruppe von Personen teste, beispielsweise das Personal eines Krankenhauses, können falsch negative Ergebnisse die sehr korrekten positiven Ergebnisse eines lokalen Ausbruchs nicht verschleiern. Eine anschließende Prüfung aller Beteiligten mittels PCR würde daher im Einzelfall eine deutlich größere Sicherheit bieten.
Aber egal welcher Test und welches Ergebnis – der Satz, der mittlerweile fast zu einer leeren Phrase geworden ist, gilt immer: Es ist nur ein Screenshot. Auf dem Heimweg vom Arzt oder vom Testzentrum kann ich mich im Zug anstecken und das Ergebnis ist wertlos – und ohne dass ich etwas merke.
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