Whistleblowing in Deutschland: Was Arbeitgeber wissen müssen | Ius Laboris

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Hintergrund

Nachdem die Frist für die Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie aufgrund eines langen politischen Hin und Hers verpasst wurde, ist das Whistleblower-Schutzgesetz in Deutschland erst vor Kurzem in Kraft getreten 2 Juli 2023.

Die Gesetzgebung orientiert sich recht eng an der Richtlinie, enthält aber auch einige spezifische Bestimmungen, die in Deutschland tätige Unternehmen beachten sollten. In diesem Artikel werfen wir einen Blick darauf, was Arbeitgeber wissen müssen.

Fristen und Schwellenwerte für die Umsetzung

  • Aus 2. Juli 2023alle Unternehmen mit 250 oder mehr Mitarbeiter muss ein Hinweisgebersystem, also sichere und verlässliche Kanäle für die interne Meldung von Verstößen, einrichten. Für Finanzinstitute gilt diese Verpflichtung unabhängig von der Anzahl der Mitarbeiter.
  • Aus 1. Dezember 2023alle Unternehmen mit 250 oder mehr Mitarbeiter und Finanzinstituten, die noch kein Hinweisgebersystem eingerichtet haben, droht ein Bußgeld von bis zu 20.000 Euro.
  • Aus 17. Dezember 2023alle Unternehmen mit 50 oder mehr Mitarbeiter muss ein Whistleblower-System einrichten; Bei Zuwiderhandlung droht ab diesem Zeitpunkt außerdem ein Bußgeld in Höhe von 20.000 Euro.

Die Mitarbeiterschwellenwerte gelten für jede juristische Person, was bedeutet, dass kleinere Unternehmen innerhalb einer Gruppe möglicherweise überhaupt nicht oder erst ab Dezember unter die neue Gesetzgebung fallen.

Zentralisierte Meldekanäle

Interessanterweise erlaubte der deutsche Gesetzgeber Konzernen, in einem ihrer Konzernunternehmen einen gemeinsamen, zentralen Meldekanal einzurichten. unabhängig von der Größe der betroffenen Unternehmen. Dies scheint im Widerspruch zu der Richtlinie zu stehen, die vorsieht, dass (nur) Unternehmen mit 50 bis 249 Mitarbeitern Ressourcen im Hinblick auf die Entgegennahme von Meldungen und die durchzuführenden Untersuchungen teilen können. Dies wurde von der Europäischen Kommission in zwei Stellungnahmen im Juni 2021 unterstrichen, als mehrere Lobbyorganisationen eine großzügigere Auslegung für Unternehmen mit mehr als 250 Arbeitnehmern forderten. Einige Wissenschaftler haben in diesem Zusammenhang bereits angedeutet, dass dieser Teil der deutschen Gesetzgebung gegen die Richtlinie verstoßen könnte. In der Praxis ist der Ansatz des Gesetzgebers jedoch eine gute Nachricht: Zumindest vorerst schützt er Unternehmen mit vielen Tochtergesellschaften vor dem administrativen Albtraum, für jede Tochtergesellschaft ein eigenes Warnsystem einrichten zu müssen.

Anonyme Berichterstattung

In einer Änderung, die ganz am Ende des Gesetzgebungsverfahrens eingeführt wurde, wurde die Verpflichtung Die ursprünglich ab 2025 vorgesehene Regelung zur anonymen Berichterstattung wurde aus dem Gesetzentwurf gestrichen. Stattdessen sagt das Gesetz nun Unternehmen sollen bieten die Möglichkeit einer anonymen Meldung. In der Praxis ist dies durchaus sinnvoll, da Statistiken zeigen, dass Mitarbeiter deutlich häufiger Verstöße intern melden, wenn sie dies anonym tun können. Da der Gesetzgeber der internen Berichterstattung keinen klaren Vorrang eingeräumt hat, liegt es nun an den Unternehmen selbst, ein möglichst attraktives und vertrauenswürdiges Hinweisgebersystem einzurichten, damit Mitarbeiter interne Kanäle nutzen, anstatt Informationen an Behörden (bzw. Behörden) weiterzugeben , noch schlimmer, an die Öffentlichkeit oder die Medien).

Erweiterter Reichweite

Das deutsche Recht geht über die in der Richtlinie festgelegten Grundvoraussetzungen hinaus, wenn es darum geht, zu bestimmen, welche Arten von Vorfällen und Verstößen gemeldet werden können. In den Geltungsbereich des Gesetzes fallen nicht nur Verstöße gegen EU-Recht, sondern auch bestimmte Verstöße gegen nationales Recht; vor allem Straf- und Ordnungswidrigkeiten. Allerdings ist die Feststellung, ob ein gemeldeter Vorfall in den Anwendungsbereich des Gesetzes fällt, oft alles andere als trivial. Insbesondere viele Fälle von Fehlverhalten, die sogar eine Entlassung rechtfertigen könnten, wie etwa Belästigung am Arbeitsplatz oder diskriminierendes Verhalten, haben keinen Anspruch auf Whistleblower-Schutz. Unternehmen sollten dies bei der Entwicklung oder Anpassung ihrer Whistleblower-Richtlinien berücksichtigen.

Wie Whistleblower geschützt werden

Gemäß der Richtlinie unterliegen Hinweisgeber der Geheimhaltungspflicht und dem Verbot von Vergeltungsmaßnahmen. Personalverantwortliche sollten sich darüber im Klaren sein, dass der deutsche Gesetzgeber die Beweislast umgekehrt hat, wenn es um Repressalien gegen Hinweisgeber geht. Erleidet ein Whistleblower im Rahmen seiner Arbeit einen Schaden und behauptet, dieser Schaden sei ihm aufgrund einer Meldung nach dem Whistleblower-Schutzgesetz entstanden, so wird davon ausgegangen, dass es sich bei diesem Schaden um eine Vergeltungsmaßnahme handelt, und es obliegt dem Arbeitgeber, das Gegenteil zu beweisen. In diesem Zusammenhang empfiehlt es sich, Personalabteilungen anzuweisen, die Gründe für alle Maßnahmen gegenüber Mitarbeitern stets sorgfältig zu dokumentieren, denn man weiß nie, ob man es mit jemandem zu tun hat, der möglicherweise kürzlich eine Anzeige erstattet hat.

Einbeziehung der Personalvertreter und Notwendigkeit zur Anpassung der Richtlinien

Bei der Umsetzung von Meldewegen sollten sich Unternehmen der Mitbestimmungsrechte des örtlichen Betriebsrats bewusst sein. In vielen Fällen muss vor der Umsetzung eine Betriebsvereinbarung zum Hinweisgebersystem ausgehandelt werden.

Darüber hinaus müssen möglicherweise bestehende Richtlinien, beispielsweise zum Verhaltenskodex oder zu bereits bestehenden Meldekanälen (z. B. einer Whistleblower-Hotline), an die neue Gesetzgebung angepasst werden. Daher empfiehlt sich eine enge Zusammenarbeit zwischen den HR- und Compliance-Abteilungen.

Unternehmen, die in mehreren EU-Ländern tätig sind, könnten ein zentralisiertes Hinweisgebersystem in Betracht ziehen, da die allgemeinen Rechtsgrundsätze gemäß der Richtlinie in allen Mitgliedstaaten gleich sind. Besonderes Augenmerk sollte jedoch darauf gelegt werden Einzelheiten in den nationalen Rechtsvorschriften.

Auslagerung

Unternehmen können die Verwaltung ihrer internen Berichtskanäle an externe Anbieter auslagern. Dies kann eine interessante Lösung für diejenigen sein, die ein besonders zuverlässiges Hinweisgebersystem aufbauen möchten und dabei die Dienste eines neutralen Mediators in Anspruch nehmen möchten, oder für kleine Unternehmen, die nicht über die erforderlichen Ressourcen und das erforderliche Know-how verfügen (z. B. eine interne Compliance-Abteilung). . alles intern verwalten. Die Verantwortung für die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben und die Behebung gemeldeter Verstöße liegt jedoch beim Unternehmen selbst.

Bußgelder bei Nichteinhaltung

Verschiedene Verstöße gegen die neue Gesetzgebung stellen Ordnungswidrigkeiten dar. Dazu gehört das Versäumnis, ein angemessenes Hinweisgebersystem zu implementieren, die Vertraulichkeit zu verletzen oder Vergeltungsmaßnahmen gegen Hinweisgeber zu ergreifen. Die Strafen können bis zu 500.000 Euro betragen.

Überwinden Sie die kulturelle Barriere

Bei einem modernen und vertrauenswürdigen Hinweisgebersystem geht es nicht nur um die Einhaltung neuer gesetzlicher Anforderungen. Darüber hinaus ist es ein wichtiges Instrument, um Compliance-Risiken frühzeitig zu erkennen und so mögliche Reputationsschäden oder finanzielle Verluste des Unternehmens zu vermeiden. Diesbezüglich mangelt es in Deutschland noch an einem allgemeinen Bewusstsein, insbesondere in Bezug auf angloamerikanische Standards, wohl für kulturelle und historische Gründe. Unternehmen müssen sich dieser Hürde bewusst sein und mit Vorsicht handeln. Daher empfiehlt es sich, die richtige interne Kommunikation anzubieten, die sich proaktiv mit potenziellen Buchungen auseinandersetzt.

Die Botschaft für Arbeitgeber

Arbeitgeber müssen schnell handeln, um die Fristen im Dezember einzuhalten und die betrieblichen Vorteile eines gesetzeskonformen und gut funktionierenden Hinweisgebersystems zu nutzen.

*Kliemt.RH Rechtsanwälte

Heine Thomas

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