Erst vor einem halben Jahr hat die 21-jährige Anna Berreiter bei der Rennrodel-Weltmeisterschaft auf dem bayerischen Königssee für ihr Heimatland Deutschland Silber im Rennrodeln gewonnen. Sie kennt es wie ihre Westentasche; sie wohnt kaum ein paar kilometer entfernt.
Jetzt bewertet sie düster denselben Track – einen Track, der durch die verheerende Überschwemmung am Wochenende schwer beschädigt wurde.
„Hier habe ich das Rodeln gelernt“, sagt sie und zeigt auf einen Ausgangspunkt in der Nähe des Gipfels. Es ist jetzt zu Ruinen reduziert.
Weltberühmte Rodel- und Bobbahn am Königssee wurde durch den Sturm schwer beschädigt
Direkt an der österreichischen Grenze liegt der weltberühmte Wintersportort. Trotz seiner Höhenlage sei es schwer getroffen worden, als heftige Regenfälle einen Bach höher in den Bergen überfluteten, sagt Fabian Hopf von der Münchner Außenstelle des Technischen Hilfswerks (THW), einer Organisation, die sich hauptsächlich aus ehrenamtlichen Mitarbeitern zusammensetzt. Es gelang ihm und seinem Team, die Strecke wieder auf Kurs zu bringen, aber nicht bevor die Rodelbahn vom Wildbach überflutet wurde.
Jetzt leiten sie die Landebahn-Säuberungsaktion, bei der Wrackberge abgetragen und am Berghang abgesenkt werden sollen. Alle paar Minuten fährt ein mit frischem Schutt gefüllter Bagger vorbei.
Während Hopf spricht, steigen ein paar Lycra-Wanderer und eine Frau von der örtlichen Kletterorganisation den Hügel hinauf, um den Schaden zu begutachten.
„Wir waren wirklich angetan von Touristen und Besuchern, die hierher kamen und uns fragten, was los sei“, sagte Hopf.
Unter den Besuchern am Sonntag waren auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder und der deutsche Finanzminister Olaf Scholz, die beide finanzielle Hilfen für die Region zugesagt haben.
„Jeder hilft jedem“
Kein Wunder, dass Touristen es hier lieben. Das Berchtesgadener Land in Oberbayern bietet atemberaubende Berge und wunderschöne Seen. Im Sommer ist es bei Mountainbikern und Wanderern beliebt, im Winter bei Wintersportlern.
Königssee im Berchtesgadener Land in glücklicheren (und kälteren) Zeiten
Hier wurde am Freitag erstmals Alarm geschlagen, bevor am Samstagabend und Sonntagmorgen durch heftige Regenfälle Flüsse überflutet wurden.
Doch anders als in den westdeutschen Regionen der Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, in denen ganze Dörfer weitgehend zerstört wurden und über 160 Menschen ums Leben kamen, ist diese Region schwere Überschwemmungen gewohnt. Der Königssee im Talgrund wird von einem riesigen Damm geschützt, der sich trotz extremen Hochwassers dicht halten konnte.
Im weiter talabwärts gelegenen Berchtesgaden sagt die Anwohnerin Marion, sie sei glücklich, dass das Haus, das sie mit ihrem Partner teilt, verschont geblieben sei und meint, ohne den Damm wäre das ganze Tal überflutet worden.
„An den Wochenenden konnten wir nur daran denken, sollten wir evakuieren? Sie erinnert sich. „Ich hatte Tränen in den Augen.“ Insgesamt wurden am Wochenende rund 160 Haushalte evakuiert, die meisten kehrten jedoch am Montag zurück, nachdem sich die Lage etwas beruhigt hatte.
Am Ende blieb sie und ihr Haus blieb verschont, obwohl sich der sanfte Bach in ihrem Garten in einen reißenden Fluss verwandelte. „Früher gab es dort keine Sandbank“, erklärt sie. Ihr Haus ist gegen Hochwasserschäden versichert, aber sie fragt sich, wie viele es in der Gegend nicht sind, angesichts des Preises, den es kosten kann.
„Aber das Beste hier – jeder hilft jedem“, fügt sie hinzu. Wie in den westlichen Regionen sind auch hier die schwer betroffenen Städte auf ehrenamtliche Helfer der örtlichen Feuerwehren, des THW und der Anwohner angewiesen.
Keine Reinigung mehr nötig
Diese Solidarität wird in den kommenden Tagen dringend benötigt, da die Wassertropfen und die Aufräumarbeiten weitergehen. Der Schaden könnte sich laut Behörden auf mehrere Milliarden Euro belaufen.
Besonders betroffen waren die Nachbarorte Schönau, Bischofswiesen und Berchtesgaden. In Schönau sind mittlerweile mindestens drei Häuser komplett unbewohnbar, die Bewohner beeilen sich, den Schlamm und Schutt in den unteren Stockwerken aufzuräumen und ihr Hab und Gut zu zerstören.
Und an der Hauptstraße nach Berchtesgaden wurde ein Großteil des Asphalts vom Fluss zerstört. Wenn man in der Julisonne am Rand des Betons steht, mit spektakulären Bergen auf allen Seiten, vergisst man leicht, dass vor gerade einmal 48 Stunden ein reißender Wildbach diesen Schaden angerichtet hat.
Das Berchtesgadener Land in Bayern ist ein beliebtes Reiseziel
Die Szene sieht fast idyllisch aus, zumal Radler und Wanderer im Urlaub die letzten Sonnenstunden nutzen und nur mit interessiertem Blick an den Schäden vorbeiziehen. Anwohner wie Marion und Anna hoffen vielleicht eher, dass die Katastrophe, wie Ministerpräsident Söder sagte, ein „Weckruf“ für die Schäden sein kann, die durch den Klimawandel verschärfte extreme Wetterbedingungen anrichten können.
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