Der Herbst ist in Deutschland angekommen, und buntes Herbstlaub wirbelt auf dem Berliner Kurfürstendamm, wo High-End-Geschäfte die historische Straße säumen: Kleidung, Parfums, Geschenke. Der Ku’damm, wie ihn die Berliner nennen, lebt von Menschen, die sich von den in den Schaufenstern ausgestellten Luxusgütern verführen lassen.
Im Moment scheint die Coronavirus-Pandemie wie eine ferne Erinnerung. Soziale Distanzierung gehört der Vergangenheit an und nur eine Handvoll Kunden tragen in Geschäften Gesichtsmasken. Auch Schilder, die zum Tragen auffordern, sind verschwunden.
Doch alles könnte sich bald ändern. Krankenhäuser schlagen Alarm, und immer mehr Ärzte und medizinisches Personal drängen auf eine schnelle Wiedereinführung des obligatorischen Tragens von Masken in Innenräumen.
Mit der Zahl der Coronavirus-Infektionen steigt auch der Druck auf die Krankenhäuser. In vielen Kliniken ist ein normaler Betrieb nicht mehr möglich.
Laut dem deutschen Gesundheitsinstitut Robert Koch-Institut (RKI) befinden sich bereits so viele Coronavirus-Patienten in Krankenhäusern wie während des diesjährigen Höhepunkts. Und die Zahlen steigen.
Masken – schlecht fürs Geschäft?
Nun erwägen Berlin und Brandenburg als erste der 16 Bundesländer eine Wiedereinführung der Maskenpflicht für öffentliche Innenräume, zumindest im Einzelhandel.
„Die Aussichten sind nicht gut“, sagt Ginia Tarique, die in einem Bekleidungsgeschäft am Ku’damm hinter der Theke steht.
„Wir haben viele Besucher aus dem Ausland, und die mögen keine Masken“, sagt sie und faltet einen dunkelblauen Pullover hoch. „Dann hätten wir sicherlich noch viel weniger Kunden.“
Es wäre auch teurer, sagt Tarique. „Wir bräuchten wieder jemanden an der Tür, der kontrolliert, ob die Leute beim Eintreten Masken tragen.“
Auf das, was in der Umkleidekabine passiert, haben sie aber keinen Einfluss, sagt sie: „Das kann niemand wirklich kontrollieren.“
Deutsche Krankenhäuser füllen sich
Gesundheitsminister Karl Lauterbach, ein SPD-Abgeordneter, sagte, Deutschland sei mit geeigneten Impfstoffen und Medikamenten gut auf Herbst und Winter vorbereitet. Trotzdem warnt er davor, was passieren könnte.
„Die Richtung, in die wir gehen, ist nicht die richtige“, sagte er kürzlich mit Blick auf die Situation in deutschen Krankenhäusern. Auch die Todesfälle nehmen zu, obwohl die aktuelle Omicron-Variante weniger schwere Fälle verursacht.
Derzeit werden deutsche Intensivstationen hauptsächlich von älteren Patienten und anderen Patienten belegt, deren Gesundheitsrisiken auch mit der milderen omicron-Variante hoch bleiben.
Laut der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) werden die meisten COVID-19-Patienten auf Normalstationen behandelt. Sie werden oft mit einer Coronavirus-Infektion aufgenommen, nicht mit schweren Symptomen von COVID-19. Dennoch müssen infizierte Patienten isoliert werden, was mehr Platz und mehr Personal erfordert.
Und darin liegt das Problem. Krankenhäuser haben lange Mühe, genügend Fachkräfte zu finden, da die meisten Abteilungen chronisch unterbesetzt sind. Jetzt kämpfen sie noch härter, da die Zahl der infizierten Krankenhausmitarbeiter zunimmt.
Folglich müssen die Betten leer bleiben; teilweise müssen ganze Stadtteile gesperrt werden. Geplante Behandlungen und Operationen werden verschoben, Notaufnahmepatienten mit Herzinfarkt oder anderen lebensbedrohlichen Erkrankungen können nicht aufgenommen werden. Die Energiekrise und die damit verbundenen finanziellen Sorgen tragen auch zu den Sorgen des Gesundheitssektors bei.
Nach dem deutschen Infektionsschutzgesetz (IfSG) ist nicht mehr der Bund für die Umsetzung der Maskenverordnung zuständig, sondern die Länder.
Das bedeutet, dass Gesundheitsminister Lauterbach, der sich vehement für ein erneutes Mandat für Innenraummasken einsetzt, die Staatsoberhäupter zum Handeln auffordern, sie aber nicht zwingen kann. Es sei besser, jetzt mit kleinen Einschränkungen zu arbeiten, als später mit ganz drastischen Maßnahmen reagieren zu müssen, argumentiert er.
Bei der Maskenpflicht gehen die Meinungen weit auseinander
„Eine neue Maskenpflicht würde ich verstehen“, sagt die Berliner Verkäuferin Jeannet Seidel, „aber das wollen wir wirklich nicht.“ Seidel arbeitet in einem kleinen Laden in einer Seitenstraße des Kurfürstendamms.
„Es ist anstrengend, den ganzen Tag bei der Arbeit eine Maske zu tragen“, sagt sie. „Es gibt auch einen funktionierenden Luftreiniger im Laden. Aber wenn es noch einmal passiert, soll es so sein.“
Glücklicherweise, so Seidel, seien die Kunden in der Vergangenheit sehr verständnisvoll gewesen, was Schutzmaßnahmen anbelangt.
Aber das ist nicht überall so. Die Meinungen zum Tragen einer Maske in Deutschland gehen seit langem auseinander.
Und wo immer noch eine Maskenpflicht gilt, zum Beispiel in Zügen oder im öffentlichen Nahverkehr, gibt es oft Probleme, vor allem wenn das Personal versucht, die Regel durchzusetzen.
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In einer Berliner Arztpraxis sagt eine Mitarbeiterin, sie habe ständig Probleme mit Patienten, die trotz Hinweis an der Haustür ohne Maske eintreten.
„Sie werden oft sehr aggressiv und geben vor, auf die Maske allergisch zu sein, oder sagen einfach, dass sie keine tragen werden“, sagt sie.
Auch in den sozialen Netzwerken nimmt die Debatte Fahrt auf. Unter den Hashtags #maskmandatenow und #masksarenomildmeasure beleidigen sich User gegenseitig und verdoppeln ihre jeweiligen Positionen.
Auch unter hochrangigen Politikern gehen die Meinungen auseinander. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder sagte, er sei „derzeit zurückhaltend“, eine Maskenpflicht in öffentlichen Innenräumen wieder einzuführen. „Jeder kann sich schützen, indem er freiwillig eine Maske aufsetzt und sich impfen lässt“, sagte er kürzlich der Wochenzeitung. Bild am Sonntag.
Machen Sie das Beste aus einer schlechten Situation
Zurück am Berliner Kurfürstendamm geht es deutlich entspannter zu. Sind Masken schlecht fürs Geschäft? Nein, das sei noch nie der Fall gewesen, versichert der stellvertretende Direktor einer Parfümerie, der anonym bleiben möchte.
„Wir stehen hier in einer solchen Duftwolke, dass die Kunden sowieso mit Teststreifen rauskommen müssen, um etwas zu riechen. Dort können sie ihre Masken abnehmen.“
„Wir müssen uns der Pandemie und ihren Folgen stellen“, sagt sie und trägt dabei freiwillig eine FFP2-Maske. Ihre ist lila – passend zu ihrem Outfit.
„Wir sind ein kleines Geschäft und in 15 Minuten können acht oder zehn Kunden im Raum sein“, sagt sie.
Sie schützt sich lieber vor dem Anstieg der Infektionszahlen. „Mehrere Freunde von mir waren im Urlaub und haben jetzt alle COVID“, sagt sie.
Sie sagt auch, sie sei nicht überrascht: „Anders als in der Bahn muss man im Flugzeug keine Maske mehr tragen. Ehrlich gesagt verstehe ich den Unterschied nicht.“
Dieser Artikel wurde ursprünglich auf Deutsch verfasst
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