In Erfurt stimmen sie mit Karlsruhe überein: Das Verbot, das islamische Kopftuch in Regelschulen zu tragen, ist eine unverhältnismäßige Verletzung der Grundrechte, urteilten die Richter des Bundesarbeitsgerichts nach einem langen Verhandlungstag am Donnerstag.
Wie vom Bundesverfassungsgericht gefordert, muss vielmehr eine konkrete Gefahr für den Schulfrieden bestehen. „Das beklagte Land hat kein derart konkretes Risiko für diese geschützten Vermögenswerte gezeigt“, sagte das Gericht. Eine Frau aus Berlin, die wegen ihres Schals abgelehnt wurde und um Entschädigung gekämpft hatte, gewann die letzte Instanz. Der Informatiker wollte als Berufswechsler in die Schule eintreten. In der Berufsschule unterlag sie anderen Bewerbern, in der High School und der High School durfte sie wegen des Kopftuchs nicht unterrichten. Wegen dieser Diskriminierung verklagte sie.
Das Land Berlin ist nicht ganz von seinem Neutralitätsgesetz überzeugt, dessen Spezialität darin besteht, dass alle Religionen gleich behandelt werden und alle religiösen Symbole und Kleidungsstücke zumindest in normalen Schulen gleich verboten sind. Dies gilt nicht für Berufsschulen – hier sind die Schüler älter und können nicht mehr so leicht betroffen sein.
Die rot-rot-grüne Koalition ist in dieser Frage gespalten. Die SPD ist gesetzeskonform. Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) war enttäuscht: „Wir hätten uns eine andere Entscheidung gewünscht.“ Schulverwalter sind besorgt, dass Konflikte in die Schulen gebracht werden. Ihre Außenministerin Beate Stoffers sagte in der „RBB-Abendschau“, dass eine Verfassungsbeschwerde oder eine Berufung beim Europäischen Gerichtshof untersucht werde.
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Die Grünen hingegen wollen das Gesetz loswerden. Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) forderte eine Änderung des Neutralitätsgesetzes während dieser Legislaturperiode und eine Nichtdiskriminierung geeigneter Lehrer.
Ähnlich äußerte sich Sebastian Schluesselburg von der linken Fraktion: „Das Urteil ist klar und zu erwarten. Schulen sind nicht frei von Grundrechten. Der Senator für Bildung muss nun schnell sicherstellen, dass es auch in den Einrichtungen und in den Schulen verwendet wird. „“
Rechtsanwalt Seyran Ates, der das Land in dem Fall vertrat, sieht das anders. In ihrem Alltag ist sie ständig dem Druck und den Bedrohungen der Muslime ausgesetzt. Wenn der Staat den Lehrern erlaubt, das Kopftuch zu tragen, könnte er unnötigerweise Partei ergreifen, wenn er den Koran interpretiert, sagt sie. Der muslimische Kopfschmuck ist eine „nonverbale Kommunikation bestimmter moralischer Konzepte“. Schulkinder und ihre Eltern sollten dem religiösen Einfluss von Lehrern nicht widerstehen dürfen, sagte Ates, der als Imam und Gründer der liberalen Ibn Rushd Goethe-Moschee viel Feindseligkeit ausgesetzt ist und unter persönlichem Schutz steht. Ates ist überzeugt, dass Konflikte in Schulen immer akuter werden. Das Neutralitätsgesetz gilt auch für Polizei und Justiz. Die AfD-Fraktion forderte, dass sie zumindest an Ort und Stelle bleibt.
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