Mit rund 400 Jahren Geschichte hinter sich, die von den Adelshäusern Europas in die Welt der Normalsterblichen führt, ist Roulette fast schon synonym mit Glücksspiel. Selbst wer noch nie das elegante Kesselspiel ausprobiert hat, wird den berühmten Ausspruch „Riens ne va plus – Nichts geht mehr kennen“.
Die Ursprünge gehen bis ins 17. Jahrhundert zurück. Allerdings scheint eine lang verbreitete Theorie, dass die Erfindung dem französischen Mathematiker Blaise Pascal zu verdanken ist, nicht korrekt zu sein. Der hatte zwar 1658 zwei wissenschaftliche Schriften mit den Titeln „Histoire de la roulette“ und „Suite de l‘ histoire de la roulette“ verfasst, doch darin ging es um die ebenfalls Roulette oder übersetzt kleines Rädchen genannten Zykloiden.
Fest steht jedoch, dass das Spiel sich bereits im 18. Jahrhundert in ganz Europa verbreitet hatte. In Frankreich zockte der Adel vor allem am königlichen Hof mit einer derartigen Begeisterung, dass Ludwig XV vergeblich versuchte, dem Roulette Einhalt zu gebieten. Nach der französischen Revolution erlaubte Napoleon Bonaparte das Roulettespiel in den Spielhäusern des Pariser Palais Royal, die daraufhin zu einer Attraktion wurden. Erst Louis Philippe verbot 1837 schließlich das allzu populäre Glücksspiel in Frankreich. Daraufhin gingen etliche der französischen Casinochefs ins benachbarte Deutschland, wo sie dem Roulettespiel unter anderem in den mondänen Casinos von Baden Baden, Bad Homburg und Wiesbaden zu einer neuen Blüte verhalfen.
Mit der Reichsgründung 1872 wurde das Glücksspiel allerdings auch in Deutschland verboten, wo es bis 1933 illegal blieb. Damit blieb den europäischen Zockern nur wenig Wahl, um dem Zeitvertreib ohne Gedanken um Gesetzesbrüche nachgehen zu können: Monte Carlo kam zu seinem Recht. Das kleine Fürstentum Monaco an der Riviera und vor allem sein vom gleichen Architekten wie die Pariser Oper entworfenes Casino unter der Leitung des Mathematikers und Finanziers Francois Blanc wurden damit zum Tummelplatz für die Reichen und Schönen – ein Status, der dem monegassischen Casino noch heute zukommt.
Blanc ist auch eine kleine Änderung des Kessels zu verdanken, der für die Zocker einen großen Unterschied ausmacht und letztlich zur Trennung von europäischem Roulette und amerikanischem Roulette geführt hat. Er machte aus bislang 38 Fächern im Kessel – die Zahlen von 1 bis 36 plus Null und Doppel-Null – durch die Abschaffung der Doppel-Null 37 Fächer. Diese geringfügige Änderung hat gewaltige Auswirkungen auf die Gewinnchancen. Während der Hausvorteil im amerikanischen Roulette üblicherweise bei 5,26 Prozent liegt, beträgt er in der Regel beim europäischen Roulette nur knapp die Hälfte, nämlich etwa 2,70 Prozent.
Die Anordnung der Zahlenfelder im Kessel unterscheidet sich ebenfalls bei den beiden Versionen. Auch die Regeln sind nur fast identisch. Während die Zahlen im Kessel willkürlich verteilt scheinen, wechseln sich die unterliegenden Farben rot und schwarz gleichmäßig ab. Eine Sonderstellung nimmt die Null ein, die als einzige grün unterlegt ist. Die Zahlen samt ihren Farben werden auf dem sogenannten Tableau dargestellt, wobei die Null am Kopfende ist und darunter die anderen Zahlen der Reihe nach in drei Spalten untergebracht sind. Auf den Seiten finden sich die sogenannten einfachen Chancen – Rot/Schwarz, Hoch/Tief und Gerade/Ungerade.
Jetons können vor dem Einwurf der Elfenbeinkugel in den sich drehenden Kessel auf Zahlen oder einfache Chancen gelegt werden. Erst wenn der Croupier ausruft „Nichts geht mehr“ und die Kugel rollt, ist der Wettvorgang tatsächlich endgültig abgeschlossen. Es gewinnt die Zahl und Farbe, in der die Kugel schließlich einfällt. Wer bei einer einfachen Chance im Roulette online oder offline richtig getippt hat, erhält den doppelten Einsatz zurück. Beim Einsatz auf ein Dutzend oder eine Kolonne gibt es das Dreifache zurück, und so weiter. Wer korrekt auf eine einzelne Gewinnzahl getippt hat, bekommt das 35-fache ausgezahlt.
Einen Unterschied gibt es im französischen Roulette bei der Null. Hier können sich die Spieler für die Umsetzung der „En Prison“-Regel entscheiden, falls die Kugel im Null-Fach landet. Die bedeutet, dass Zocker, die in der einfachen Chance auf Gerade/Ungerade gesetzt hatten, einen weiteren Spin und damit eine neue Gewinnchance bekommen.
Diese Feinheiten haben ihren Teil dazu beigetragen, dass das französische Roulette ein weitaus höheres Ansehen besitzt als das amerikanische. Hinzu kommt, dass die europäischen Casinos ihren Start als Vergnügungsorte für den Adel begonnen hatten, während in Amerika in den Saloons oder später im lange als Mafia-Tummelplatz verrufenen Las Vegas gezockt wurde.
Diese Unterschiede sind auch auf der Leinwand verewigt worden und damit ins Kulturgut eingegangen. Eine der berühmtesten Rouletteszenen der Filmgeschichte spielt in „Rick’s Cafe Americain“ in dem Klassiker „Casablanca“. Hier, in einem eleganten Privatzimmer, treffen sich die Leute, die jetzt auf der Flucht vor den Nazis sind und auf ein Visum für die Vereinigten Staaten warten. Roulette ist ein beliebter Zeitvertreib, aber auch ein Mittel, um mit etwas Glück genug für die exorbitanten Bestechungsgelder zu gewinnen, ohne die es kein Visum gibt. Der zum Zyniker gewordene Rick lässt hier am Spieltisch erstmals erkennen, dass unter seiner harten Schale ein weiches Herz schlägt.
Kein anderer fiktiver Held wird so oft mit Glücksspiel aller Art in Verbindung gebracht wie Doppel-Null-Agent James Bond. Gleich in seinem ersten Auftritt in „James Bond jagt Dr. No“ geht er in einem privaten Casino in London seinen Hobby nach – zocken, schöne Frauen verführen und Martini trinken. Roulette gespielt wird unter anderem in „Diamonds are Forever“ mit Sean Connery und „Skyfall“ mit Daniel Craig als Bond. Sogar eine eigene Roulette-Strategie ist nach dem fiktiven Superspion benannt, wobei er allerdings in hochkarätigen Spielen stets mit Geld aus der Staatskasse gezockt hat.
Das Casino Monte Carlo ist, wie es sich seiner Bedeutung für das Glücksspiel gebürt, gleich mehrfach die Kulisse für James Bond gewesen. In „Sag niemals nie“, der Neuverfilmung von „Thunderball“ mit Sean Connery in der Hauptrolle, und „GoldenEye“ mit Pierce Brosnan als Bond, spielt das luxuriöse Palais eine entscheidene Funktion für die Filme.
In der 1988 ins Kino gekommenen Komödie „Dirty Rotten Scoundrels – Zwei hinreißend verdorbene Schurken“ mit Steve Martin und Michael Caine ist das Casino gar das Jagdrevier der beiden Schwindler, die hier nach betuchten, einsamen Damen suchen. Weil die Riviera zu klein für beide ist, entscheiden sie wie Gentlemen, wer von ihnen hier sein Handwerk treiben darf – inklusive am Roulettetisch.
Im Vergleich dazu ist Roulette in Filmen, die in Amerika spielen, selten so glamourös. In dem im Glücksspielstaat Nevada angesiedelten „California Split“ werden unter anderem Themen wie Glücksspielsucht und Schulden bei skrupellosen Buchmachern behandelt.
Zu diesen Unterschieden trägt allerdings auch der Ruf der jeweiligen Schauplätze und deren Umgang mit Glücksspiel bei. Während Roulette und andere Spiele in der Europäischen Union bei Anbietern mit den entsprechenden Lizenzen on- und offline gestattet sind und die Casinos überwacht werden, um die Verbraucher zu schützen und Kriminalität zu unterbinden, spielen sehr viele Zocker in den USA illegal, weil es dort nur wenige, örtlich begrenzte Genehmigungen für Casinos gibt. Der Wüstenstaat Nevada ist nicht umsonst dank seiner Lizensierung zur Glücksspielmetropole der Vereinigten Staaten geworden, inklusive Roulette. So alt die Geschichte des Kesselspiels auch ist, es werden stets neue Kapitel geschrieben.
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