EU-Gericht beseitigt deutsches Hindernis für einstweilige Patentverfügungen

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Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) adressiert einen Unsicherheitsbereich, der im deutschen Patentrecht entstanden ist und voraussichtlich zu einem Anstieg der Anträge auf vorläufige Anordnungen europäischer Patente in Deutschland und möglicherweise in der gesamten EU führen wird, so die Experten für Patentstreitigkeiten bei Pinsent Masons.

„Die EuGH-Entscheidung ist eine tektonische Verschiebung für einstweilige Verfügungen in Deutschland, dem europäischen Rechtsraum mit den meisten Patentverletzungsverfahren“, sagte Marc Holtorf, Patentexperte bei Pinsent Masons in München.

Ein Landgericht München hat den EuGH um Hinweise zur Anwendung des EU-Rechts gebeten, um ihm bei der Entscheidung zu helfen, ob dem Technologieunternehmen Phoenix Contact eine einstweilige Verfügung in Bezug auf ein Patent zu erlassen ist, das es besitzt.

Nach dem Urteil des EuGH wollte das Münchner Gericht dem Antrag gegen Harting Deutschland und Harting Electric stattgeben, den Unternehmen die Verletzung des Phoenix-Patents zu untersagen. Sie hat jedoch die deutsche Rechtsprechung so identifiziert, dass sie sie daran hindert, Anträgen auf einstweilige Anordnungen von Patenten stattzugeben, wenn die Gültigkeit dieser Patente nicht zumindest in einem erstinstanzlichen Einspruchsverfahren vor dem Europäischen Patentamt oder zuvor in einem erstinstanzlichen Nichtigkeitsverfahren bestätigt wurde das Bundespatentgericht in Deutschland.

Holtorf: „Erst 2019 haben Deutschlands prominenteste Oberlandesgerichte in München, Karlsruhe und Düsseldorf ihre Anforderungen an den Erlass einstweiliger Verfügungen in Patentsachen endgültig angeglichen, was die Rechtssicherheit in solchen Verfahren deutlich erhöht hat.“

Bei der Beurteilung, wie das Münchner Gericht an den Fall herangehen sollte, stellte der EuGH fest, dass die deutsche Rechtsprechung im Widerspruch zum EU-Recht steht – insbesondere zur sogenannten EU-Durchsetzungsrichtlinie, Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums. Nationale Gerichte seien verpflichtet, nationale Rechtsprechung aufzuheben, wenn sie mit EU-Recht unvereinbar sei.

Folglich entschied er, dass die Durchsetzungsrichtlinie „als Ausschluss der nationalen Zuständigkeit auszulegen ist, wonach Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz wegen Patentverletzung grundsätzlich abzulehnen sind, wenn die Gültigkeit des betreffenden Patents nicht zumindest durch bestätigt worden ist eine erstinstanzliche Entscheidung im Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren“.

In seiner Entscheidung betonte das Gericht, dass europäische Patente „ab dem Tag der Veröffentlichung ihrer Erteilung eine Gültigkeitsvermutung genießen“.

Das Gericht wies auch auf eine Reihe von in die Durchsetzungsrichtlinie eingebauten Vorsichtsmaßnahmen hin, die ein „Gegengewicht“ zu den qualifizierten Rechten bieten, die Rechteinhaber gemäß der Richtlinie haben, um einstweiligen Rechtsschutz zu erlangen, wenn sie versuchen, ihre Patente gegen mutmaßliche Straftäter durchzusetzen. Zu diesen Vorkehrungen gehören eine Frist für die Einleitung rechtlicher Schritte nach Erlangung des einstweiligen Rechtsschutzes und die Anforderung, dem mutmaßlichen Einbrecher eine angemessene Sicherheit zu leisten, um ihn für den Schaden zu entschädigen, der ihm durch die Auswirkungen der ihm auferlegten einstweiligen Prozesskostenhilfe entstanden ist, die er später erleiden würde den Fall vor Gericht gewinnen. Es beinhaltet auch eine den Gerichten eingeräumte Befugnis, weiteren Schadensersatz zu verhängen. Laut Holtorf wird das Urteil noch mehr Patentinhaber ermutigen, sich trotz solcher Vorkehrungen jetzt schon um einstweilige Verfügungen in Deutschland zu bemühen.

Emmanuel Gougé, Patentexperte bei Pinsent Masons in Paris, sagte: „Dieses Urteil des EuGH ist auch im Hinblick auf das einheitliche Patentgericht und die von ihm geforderten Bedingungen für den Erlass einstweiliger Anordnungen interessant, wie es auch der UPC haben muss dem EU-Recht entsprechen.“

Das EPG wurde eingerichtet, um ein spezielles Rechtssystem für Rechtsstreitigkeiten in Bezug auf europäische Patente mit oder ohne einheitliche Wirkung bereitzustellen, mit einer Übergangszeit, während der bestehende europäische Patente, die nicht ausdrücklich aus der Zuständigkeit des EPG entfernt wurden, ebenfalls dem neuen Gerichtssystem unterliegen. Das UPC hat seine letzten Vorbereitungsschritte eingeleitet und wird voraussichtlich 2023 eröffnet.

Jochen Fabel

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